Zwischen Antike und Alltag

Stürzende Europa. Acryl auf Leinwand, 180 x 220 cm, 2019

Er zeichnet mit dem feinen Strich der alten Meister, arbeitet an Holzschnittstöcken, wandert wie ein großer Abenteurer durch die Mythologie, reflektiert mit seinen vielfältigen künstlerischen Mitteln Historisches und Gegenwärtiges. Rainer Ehrt beherrscht die unterschiedlichsten Techniken. Der Maler, Grafiker, Illustrator und Cartoonist wird im kommenden Jahr 60 Jahre alt. Er lebt und arbeitet in Kleinmachnow.

Die Quellen für seine künstlerische Vielfalt sieht der 1960 in Elbingerode/Harz geborene Künstler in seiner intensiven Auseinandersetzung mit Literatur und Geschichte sowie in der Breite und Vielfalt des Kunststudiums in den achtziger Jahren an der Hochschule für Kunst und Design Halle/Burg Giebichenstein, an der er von 1981 bis 88 studierte. Auf dem Studienplan standen grafische Techniken, Naturstudium und Schrift genauso wie Illustration und Buchkunst. Seither sind noch Ausflüge in die Malerei und in die Bildhauerei hinzugekommen. Zu seinen künstlerischen Vorbildern gehören die englischen und französischen satirischen Zeichner des 18. und 19. Jahrhunderts, die kritischen Realisten der 1920er und 30er Jahre – Grosz, Beckmann, Dix – und die Maler der „Leipziger Schule“, unter ihnen Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer mit ihren feinsinnigen Anspielungen und historischen Metaphern."

Der Maler, Grafiker, Illustrator und Cartoonist Rainer Ehrt – Foto: Dieter Röseler

An der „Burg“, wie die Studenten die Hochschule nannten, lernte Rainer Ehrt auch seine Frau Julia kennen, die in Kleinmachnow geboren wurde, und heute neben Bildern vor allem Kunstwerke aus Holz fertigt. Das junge Künstler- Paar entschied sich nach dem Studium für den Arbeits- und Lebensort Kleinmachnow. Wohnraum war Mangelware. Einzige Alternative war ein kaputtes altes Haus, das die beiden Künstler mit viel Kraft und Ideen wiederbelebten. Bis Mitte der 1990er Jahre kamen im Garten Stein auf Stein die Ateliers hinzu. Rainer Ehrt trug maßgeblich dabei, noch ein altes Haus in Kleinmachnow zu retten: das einstige Landarbeiterhaus am Zehlendorfer Damm, heute ein lebendiger Standort für Kunst und Kultur. Der Kunstverein „Die Brücke“, dessen Vorsitzender Rainer Ehrt ist, feierte im Sommer 2019 10. Geburtstag. 30 bis 40 professionelle Künstler bewerben sich jährlich um eine Ausstellung in den historischen Räumen, achtzehn stehen dann auf dem Jahresprogramm.

Die künstlerische Karriere begann Rainer Ehrt vor allem mit Cartoons und satirischen Illustrationen, veröffentlicht u.a. im „Eulenspiegel“, in der „Zeit“, im „Manager Magazin“ und in „Cicero“, die ihm auch einige internationale Preise einbrachten. Aber der rastlose Künstler beherrscht viele Techniken und Genres. Und alles meisterlich. Die Berliner Galeristin Christine Knauber (die ihn vertritt) verglich ihn einmal mit den alten Künstlern der Renaissance, „die so genannten Universalkünstler, die ihre Kunst auf unterschiedlichen Gebieten ausübten, der Bildhauerei, Malerei, der Architektur und Dichtung, die gleichzeitig Gelehrte waren und sich intensiv mit alten Schriften befassten, gleichwohl aber das aktuelle Zeitgeschehen reflektierten, stets versuchten, die Welt als ein Ganzes zu begreifen.“ So unterschiedlich die Zeichnungen, Bilder, Radierungen, Skulpturen, Holzschnitte und Künstlerbücher sind, eint sie ihre narrative figürlich – ironische Bildsprache, die zwar oft doppelbödig sind, aber keine langen Erklärungsapparate benötigt. Selbst poetische und belletristische Texte stammen aus seiner Feder. Lyrik ist für ihn, den Sohn einer Deutschlehrerin, „die Essenz von Sprache.“ 1993 gründete Rainer Ehrt seinen eigenen Verlag, die „Edition Ehrt“. Hier sind bisher 20 originalgrafische bibliophile Bücher und Mappenwerke erschienen. Gerade vollendet hat der Träger des Brandenburger Kunstpreises ein Unikatbuch zu Heinrich von Kleists essayistischer Erzählung „Über das Marionettentheater“. Jede Seite ein einmaliger Kunstgenuss, ein sinnliches Erlebnis des Zusammenspiels von Papier, Schrift, Grafik, Malerei, ein dreidimensionales Gesamtkunstwerk. Zwischen 5.000 und 10.000 Euro zahlen Sammler bibliophiler Kunstwerke für ein solches originales Buchobjekt. Wird es anschließend – in kleiner Auflage – gedruckt, stehen zwischen 500 und 1.000 Euro auf der Rechnung. Zum Ende diesen Jahres erreicht eine Zeichnung von Rainer Ehrt sogar einmal ein Millionenpublikum; nicht nur Kunstuninteressierte werden es im wahrsten Sinne des Wortes es in die Hand nehmen: Sein Fontane-Porträt ziert die Sondermarke, die im Dezember zum 200. Geburtstag des Wanderers durch die Mark Brandenburg von der Deutschen Post herausgegeben wird. Die Werke des Kleinmachnower Künstlers sind im Besitz von großen Kunstsammlungen wie der Schweizer Nationalbibliothek, des Deutschen Buch- und Schriftmuseums Leipzig, des Berliner Kupferstichkabinetts oder der Klassikstiftung Weimar, Anna Amalia-Bibliothek. Seine Skulptur „Alter Fritz“ begrüßt die Besucher der Brandenburgischen Landesvertretung in Berlin.

Gerade ist im Verlag Editions du Signe sein opulentes Zeichen-Buch „Begegnungen – Rencontres der deutsch-französischen ART“ mit zweisprachigen Texten erschienen, eine unterhaltsame Zeitreise.

Das Winkelmann- Museum Stendal zeigte unter dem Titel „RAINER EHRT ANTIKE“ gerade eine große Werkschau mit über 100 Arbeiten. Noch bis 25. Januar ist eine Solo- Ausstellung in der Galerie Profil Weimar zu sehen. Informationen dazu unter: www.rainerehrt.de