Stets waren Autoren hier zu Hause

Schloss Oranienburg - Foto: TMB-Fotoarchiv/Frank Liebke

Wenn man nach literarischen Orten im Land Brandenburg fragt, drängt sich Oranienburg nicht gerade in den Vordergrund. Stark ist die Konkurrenz in der von Seen und Wäldern geprägten Umgebung der Hauptstadt.

Der Journalist und Schriftsteller Roland Lampe weiß, dass viele Leser und Besucher bei Oranienburg zuerst an das Konzentrationslager in der Berliner Straße, das erste in Deutschland überhaupt, und an Sachsenhausen denken. Aber damit gibt er sich in seinem Buch „… kehrte ich bei Hempel ein“ nicht zufrieden. Oranienburg, das ist mehr, denn „stets waren Autoren hier zu Hause, wurden hier geboren, lebten und starben hier oder machten nur für kurze Zeit Station“. Diese Söhne, Töchter und Besucher der Stadt sind mitunter nicht allein durch ihre Bücher bekanntgeworden. Vielseitig war Friedlieb Ferdinand Runge, der das Anilin entdeckte, das Koffein in Kaffeebohnen nachwies und in seiner Schrift „Das Gift in der deutschen Sprache“ schon 1856 forderte, „allgemeinverständlich zu schreiben“. 60 Jahre später kam ein anderer Meister der Sprache, Victor Klemperer, mit seiner Frau Eva zum ersten Mal nach Oranienburg in die Sommerfrische, weite Spaziergänge und Arbeit auf der Veranda prägten seinen Aufenthalt. Vier Jahrzehnte weiter, 1947, erschien „LTI – Notizbuch eines Philologen“, seine Untersuchung zur Sprache des Dritten Reiches. "

Museum mobil: Museumspädagogin Lea Hentschel (3. v. l.) im ReMObil mit Mausfried unterwegs – Museum mobil: Museumspädagogin Lea Hentschel (3. v. l.) im ReMObil mit Mausfried unterwegs

Was war alles seit 1856 geschehen. Fontane besuchte Oranienburg und bezeichnete seine Ausbeute dort als „ziemlich bedeutend“. Vor allem das Schloss hatte es ihm angetan. Michael Blumenthal, Berater der amerikanischen Präsidenten Kennedy, Johnson und Carter, 1997 Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in Berlin, wurde hier 1926 geboren, Erich Mühsam 1934 grausam ermordet, Ehm Welk büßte für seinen Spott an Propagandaminister Goebbels, Adolf Burger und Peter Edel fälschten im Rahmen der Operation Bernhard der SS englische Pfundnoten, der Sohn des norwegischen Polarforschers Fridjof Nansen, Odd Nansen, schrieb in Sachsenhausen sein Tagebuch „Fra Dag Til Dag“. Viele Namen sind zu nennen, Namen, hinter denen immer Schicksale stehen, auch die Opfer des sowjetischen Speziallagers gehören dazu. Wer Lagerhaft und Entbehrungen überlebt hatte, prägte das deutschen Kulturleben der Nachkriegszeit, wie der Verleger Peter Suhrkamp und der Schriftsteller und Politiker Fritz Selbmann. Andere Autoren kamen erst nach 1945 nach Oranienburg und Umgebung, der Dramatiker und Erzähler Friedrich Wolf, der Übersetzer Günther Stein, der Dramatiker Heiner Müller. In Oranienburg heiratete er 1955 die Lyrikerin und Kinderbuchautorin Inge Schwenkner. Ihr widmet der Autor viel Raum und berichtet über das Leben einer Frau, die nach ihrem Freitod 1966 lange Zeit fast völlig vergessen war. „Wenn ich schon sterben muss“ lautete der Titel ihres ersten, erst 1985 erschienenen Gedichtbandes. Mehr als 40 Menschen aus vier Jahrhunderten sind es, deren Lebenswegen Roland Lampe gefolgt ist. Straßennamen und Gedenktafeln, seltener schon Neuauflagen ihrer Werke erinnern an sie. Mehr erfährt, wer zu seinem Buch greift. Übrigens, der da 1845 bei Bürgermeister Friedrich Hempel in Oranienburg eingekehrte, war der Dichter Hoffmann von Fallersleben, unsterblich geworden durch das Deutschlandlied.

Viele der Berühmtheiten trifft der Besucher im Regionalmuseum Oberhavel (ReMO), das auf drei Etagen im Südflügel des barocken Schlosses die Geschichte der Region erzählt. Aber die Begegnung muss noch etwas warten, denn das Museum wird gegenwärtig umgebaut. Voraussichtlich 2020 öffnet es neu konzipiert seine Türen für die Besucher, „wobei wir hierbei vor allem Familien mit Kindern im Blick haben“, berichtet Museumsleiterin Manuela Vehma. Doch wenn die Besucher nicht ins Museum können, kommt das Museum eben zu den Besuchern. Und das mit dem hauseigenen ReMObil. Mit ihm fährt Museumspädagogin Lea Hentschel durch den Landkreis und bringt Kita-Gruppen, Grundschulen, weiterführenden Schulen oder Senioren-Einrichtungen Themen aus dem Museums-Spektrum nah. Ihr treuer Begleiter dabei ist das Maskottchen „Mausfried von der Havel“, das von Museumsassistentin Ulrike Rack erdacht, entwickelt und gezeichnet wurde. Als eingetragene Marke ist der kleine Mäuserich ein Botschafter des Museums und bei den Kindern bereits jetzt ein kleiner Star. Später wird Mausfried im Museum an verschiedenen Multimedia-Stationen den Kindern beim Spielen, Rätseln und Lesen begegnen. Schon jetzt nimmt die Lese-Reihe „LiteraturFieber in Oberhavel“ den Literaturfaden Oranienburgs auf. An jedem letzten Montag im Monat veranstaltet das ReMO eine Autorenlesung im historischen Empfangsraum des Hauses. Autoren wie Bernd Hesse, Franziska Steinhauer und Matthias Wittekind lasen 2019, die Monate Januar bis Mai 2020 sind in Planung. „Mit der neuen Ausstellung als Zeitreise durch die Geschichte der Region, dem Maskottchen ‚Mausfried von der Havel‘ und nicht zuletzt den Veranstaltungen wie ‚LiteraturFieber in Oberhavel‘ möchte das ReMO Anlaufstelle für alle Kunst- und Kulturschaffenden des Landkreises sein und Netzwerkstrukturen schaffen, die zur lebendigen Kulturarbeit in Oberhavel inspirieren“, weckt Nadine Rauch, Leiterin des Fachdienstes Weiterbildung, Kultur und Sport, Lust auf ein spannendes Kulturjahr 2020.

Zum Nachlesen:
Lampe, Roland: „… kehrte ich bei Hempel ein“. Auf den Spuren bekannter und unbekannter Autoren in Oranienburg. Verlag tredition 2016.

von Richard Benter und Brigitte Menge