Sie ist die Einkaufsmeile in der Potsdamer Innenstadt: die Brandenburger Straße. Von den Potsdamern zuweilen „Broadway“ genannt, reihen sich hier größere Handelsketten sowie kleine exklusive Geschäfte aneinander.
Während die „Brandenburger“ bei Touristen ein Muss ist, soll es immer noch Potsdamer geben, die diese Flaniermeile in ihrer aktuellen Pracht nicht kennen. Die Brandenburger Straße ist ein rund einen Kilometer langer Straßenzug, der das Brandenburger Tor mit der Peter-und-Paul-Kirche verbindet. Gebaut wurde sie ab 1733, im Rahmen der zweiten barocken Stadterweiterung. Seit 1749 trägt die Meile den Namen Brandenburgische oder Brandenburger Straße, am 20. Februar 1809 erfasste man diesen Namen auch amtlich. Lediglich für 35 Jahre, von 1955 bis 1990, benannte man die Straße nach dem tschechoslowakischen Staatspräsidenten Klement Gottwald. Der stalinistische Hardliner hatte keinerlei Bezug zur Stadt, folgerichtig nahm man im Februar 1990 die Rückbenennung vor. In der Brandenburger Straße wechseln sich flache barocke Typenhäuser aus dem 18. Jahrhundert mit höhergeschossigen Bürgerhäusern aus dem 19. Jahrhundert ab, die mittlerweile alle saniert sind und unter Denkmalschutz stehen. Bereits in den 1970er-Jahren hatte die DDR-Staatsführung beschlossen, die auch zu diesen Zeiten schon unter Denkmalschutz stehende Einkaufsstraße zu sanieren. Pünktlich wurden die fassadenbezogenen Rekonstruktionsmaßnahmen 1978 abgeschlossen, wohl auch deshalb, weil ein Jahr später Erich Honecker seinen Besuch in Potsdam angekündigt hatte. Nach der Wende sanierten neue und alte Eigentümer ihre Häuser entlang der Flaniermeile richtig. Dabei wurden auch die Höfe liebevoll und aufwändig rekonstruiert und neue Bausubstanz auf innovative Art und Weise mit den alten Mauern der barocken Typenhäuser verschmolzen. Ein besonders gelungenes Beispiel dafür ist das Haus Nr. 5 bis 6, in dem der Textilkonzern C&A seit Ende 2013 seine Waren anbietet.
Händler-Mix mit vielen Farben? Auch das Karstadt-Kaufhaus erstrahlt seit 2005 wieder in neuem Glanz. 16 Monate hatten die Abriss- und Aufbauarbeiten gedauert, die nötig wurden, da das Haus 1995 aufgrund eines Dachstuhlbrandes geschlossen wurde. 50 Millionen Euro investierte der Kaufhauskonzern in das Palais, das der Einzelhandelskaufmann F. Schwarz 1905 errichtet hatte. Die denkmalgeschützte Jugendstil-Fassade und der imposante Lichthof mit seiner Mosaikglaskuppel blieben erhalten, diverse Erweiterungsbauten zu den benachbarten Straßen brachten die notwendige Größe für das Kaufhaus, das als sogenannter Ankermieter gilt. Denn eine Einkaufsmeile benötigt eben nicht nur kleine Fachgeschäfte und Filialen großer Ketten, die monothematische Produktwelten anbieten, sondern auch mindestens ein Kaufhaus, das verschiedene Waren unter einem Dach vereint. Nur so werden Besucherfrequenzen erreicht, die den notwendigen Umsatz bringen, um die hohen Mieten zahlen zu können.
Bis zu 80 Euro je Quadratmeter betragen die gewerblichen Mieten, die von den kleineren Fachgeschäften in immer geringerem Maße erwirtschaftet werden können. Die starke Konkurrenz durch Shoppingcenter und Onlinehandel, problematische Regelungen bzgl. der Ladenöffnungszeiten und eine relativ geringe Besucherfrequenz setzen den kleinen Geschäften zu. Wochentags bewegen sich durchschnittlich pro Stunde 1.365 potenzielle Käufer in der Brandenburger Straße. Im bundesweiten Vergleich, in dem 74 Geschäftsstraßen untersucht wurden, liegt die Brandenburger Straße damit auf Platz 62, wie eine Studie aus dem Jahr 2014 vom Immobilienmaklerunternehmen Engel & Völkers ermittelte. Im Vergleich zum Vorjahr ist Potsdam in der Gunst der Flaneure sogar abgerutscht, 2013 belegte die Brandenburger noch Rang 50. Zum Vergleich: In der Berliner Schloßstraße, Rang 39, zählte man 2.605 Besucher und die meistbesuchte Straße in Deutschland ist die Münchener Neuhauser Straße mit 9.445 Besucher pro Stunde an einem Wochentag. Am Ende bleibt für den kleinen Einzelhandel nur die Geschäftsaufgabe. Leerstand ist jedoch nur von kurzer Dauer, da relativ schnell ein neuer Mieter gefunden wird. Fachgeschäfte mit Stil, Service und Übersicht. Allerdings waren die Nachmieter in den letzten Jahren häufig Filialen größerer Bäckereien. Diese Entwicklung trug der Brandenburger den wenig charmanten Beinamen „Bäckerstraße“ ein. Mithin diversifiziert sich das Angebot in der Fußgängerzone immer weniger, eine gewisse Eintönigkeit macht sich breit. Offensichtlich fehlt ein Streetmanager, der analog zum Centermanager eines Shopping-Centers auf einen ausgewogenen Branchenmix achtet. Umso erfreulicher ist es daher, dass sich trotz allem fast 30 inhabergeführte Fachgeschäfte behaupten. Wohl auch deshalb, weil es ihnen gelingt, durch eine dienstleistungsorientierte, freundliche und warme Atmosphäre jenes Ambiente zu schaffen, das man online oder im realen Massengeschäft vergeblich sucht. City Optik Scharnbeck, Juwelier Braune oder Juwelier Goldfinger, Schuh-Baar oder das Schuhhaus Wittstock gehören seit vielen Jahren zu diesen Fachgeschäften, die ihre Kunden mit hervorragender Produktauswahl, fachmännischem Knowhow und einer freundlichen und kompetenten Beratung begeistern. Auch das seit 1990 als Familienunternehmen geführte Geschäft „Internationales Buch“ gehört dazu. Durch Spezialisierung auf die Genres Reisen, Sprache, Kunst, Küche und Garten haben die Inhaber Jens und Stefan Bellin es geschafft, ihre Buchhandlung zu einer der renommiertesten Adressen zu entwickeln. Zudem findet man hier eine große Auswahl an Büchern, die Potsdamer und Brandenburger Geschichten erzählen. Deshalb kann man hier auch den beliebten Potsdam-Kalender erwerben, denn die Verbundheit zur Stadt ist dem Team aus 10 Mitarbeitern wichtig. Gleich in der Nähe, in der Brandenburger Straße 40, befindet sich das Modegeschäft von Simone Möller. Wer eintritt, bemerkt es gleich: Etwas ist anders als in einem gewöhnlichen Laden. Gekonnt gestaltete Räume von angenehm warmer Ausstrahlung, leidenschaftlich inszenierte Mode, die zum Verweilen und Anprobieren einlädt. Hier hat die hektische Shopping-Meile einen Ruhepol, hier haben sich Simone Möller und ihr Team der Entschleunigung und der aufmerksamen persönlichen Beratung erlesener und hochwertiger Kleidung verschrieben. Stücke, die frau hier kauft, so heißt es, sind Lieblingsstücke, die ein „inneres Lächeln“ zaubern. Eine geheimnisvolle Freude, die noch lange nach dem Besuch anhält … Am anderen Ende der Brandenburger Straße finden sich mit dem Herrenzimmer oder der Erzgebirgischen Handwerkerstube weitere familiengeführte Geschäfte, die ihren Kunden besondere Produkte und einen besonderen Service bieten. Im Geschäft von Claudia Oldag in der Brandenburger Straße 66 finden Damen und Herren ein breites Spektrum an Schals und Handschuhen sowie Hüten und Mützen von sportlich bis elegant. Auch die amerikanische Trendmarke Stetson ist im Angebot. Jeder Hut kann und muss probiert werden, um die richtige Passform und, vor allem, um die richtige Kopfbedeckung für ein vollendetes Outfit zu finden. Dabei beraten die Inhaberin mit mehr als 30 Jahren Erfahrung sowie ihr Team kompetent, sodass die Kundschaft gut behütet und glücklich nach Hause geht. Darüber hinaus bietet das Geschäft eine kleine spezielle Auswahl an Lammfell- und Lederjacken sowie Ledertaschen an.
Warten auf „Familie Grün“ Wer einkauft, der wird sicher auch hungrig. Jenseits eines Bäckereibesuches hat der Flaneur Gelegenheit, eine kleine kulinarische Entdeckungsreise „aroundtheworld“ zu unternehmen. Das Angebot reicht von italienischer, vietnamesischer, japanischer und deutscher bis zu amerikanischer Küche. Auch der türkische Imbiss sowie die Systemgastronomie sind auf der Brandenburger zu finden. Und hoch über den Dächern der Einkaufsmeile findet sich im Restaurant Loft sogar brandenburgische Heimatküche. Ein Bummel über die Brandenburger Einkaufsstraße lohnt sich, allein schon deshalb, weil man immer wieder ein neues Geschäft entdecken kann. So hat erst im Sommer mit Wiggle-Steps ein besonderes Strumpfgeschäft eröffnet und für das Frühjahr 2016 hat Apollo-Optik seinen Einzug angekündigt. Insofern ist die Straße, die sich erst mit Aufbau des Kaufhauses von F. Schwarz – heute Karstadt – zur Einkaufsstraße entwickelte, immer wieder im Umbruch. Außerdem bietet die Brandenburger mit der im Jahre 1979 aufgestellten Spieluhr am Brandenburger Tor und das von Carola Buhlmanns geschaffene Kunstwerk der „Familie Grün“ an der Ecke zur Lindenstraße zwei beliebte Sehenswürdigkeiten jenseits der denkmalgeschützten Häuser. Vater, Mutter und Sohn Grün halten jedoch seit November 2013 einen Dornröschenschlaf und warten auf ihren finanziellen Retter. Vandalismusschäden von außen und der rostige Bewehrungsstahl im Innern der Keramikfiguren ließen es notwendig werden, das Denkmal einzulagern. Für die neuerliche Sanierung – 30.000 € werden benötigt – fehlen aktuell jedoch die Mittel.