Das Karussell des Lebens

Foto: Rike Schulz

Lange Zeit galt der gut aussehende Hardy Krüger jr. als Mann auf der Sonnenseite des Lebens, dem einfach alles gelang: die Karriere, der Erfolg bei Frauen, ein Alltag voller Abenteuer auf der Überholspur. Das öffentliche Eingeständnis seiner Alkoholsucht zeigte eine dunkle Seite des beliebten Schauspielers. Wie lebt es sich nach dem Gang durch die Hölle?

Sie sprechen offen über Ihre dunklen Stunden, Tage, Wochen, Monate: den plötzlichen Kindstod Ihres acht Monate alten Sohnes, die schwere Alkoholsucht, die Qualen des Entzugs. Und Sie sind dabei aktiv: Machen Betroffenen Mut und engagieren sich, so u. a. als Schirmherr des Vereins Verwaiste Eltern und Geschwister in Hamburg.

Wenn ich nach dem Tod von Paul-Luca gewusst hätte, dass es einen solchen Verein gibt, wäre mir wahrscheinlich viel erspart geblieben. Erst als ich über Trauer, Verlust und Schmerz offen sprach, kam der Verein auf mich zu und lud mich nach Hamburg ein. Ich traf Menschen, die zutiefst verstanden, was Trauer auslöst und was in Trauernden passiert. Diese ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten eine großartige Arbeit, die verzweifelte Menschen auffängt, stützt und ihnen Kraft gibt, weiterzuleben. Die Gespräche in Hamburg waren für mich Teil einer Therapie, die mich auf den Weg gebracht hat, mich mit der eigenen Sucht auseinanderzusetzen und mit anderen darüber zu sprechen.

Was hat Sie ermutigt, diesen schwierigen Weg zu gehen?

Die Erkenntnis, dass wir alle Menschen mit verletzbaren Seelen sind, die nicht immer nur stark sein können. Es war ein großer Schritt für mich zu sagen: Ich brauche Hilfe. Denn ich wusste da, dass ich es allein nicht schaffe. In dieser Zeit habe ich viel über mich gelernt. Es war eine durchaus schmerzliche Erkenntnis, dass ich in meinem vergangenen Leben Dingen hinterherlief, die keinen Lebenswert hatten. Aber wenn man das erkennt, kann man es ändern. Ich habe gelernt, nein zu sagen und mich mit Menschen zu umgeben, die ehrlich sind und Vertrauen zu würdigen wissen. Das ist kein Prozess mit Zieleinlauf, sondern bleibt ein ständiger Weg mit täglichen Herausforderungen. Ich möchte die Zeit, die mir bleibt, sinnvoll und emotional intensiv erleben.

Dafür sprechen Ihre vielen Talente, die Sie ausleben: Sie sind ein gefragter Schauspieler, malen Bilder, fotografieren, sind Autor eines Koch-Buches sowie des Buches „Der leise Ruf des Schmetterlings“. Wie entscheiden Sie eigentlich im alltäglichen Leben, was Sie als Nächstes tun?

Ich bin Künstler, der von Natur aus neue Wege sucht, sich auszudrücken, und dabei alle Sinne nutzt. In meinem Kopf reifen ständig Projekte, die ich nicht in die Warteschleife verfrachte, sondern zügig angehe. Ich reise unmittelbar nach diesem Gespräch als Botschafter für UNICEF und „Ein Herz für Kinder“ nach Mosambik. Das afrikanische Land leidet unter den Auswirkungen des Zyklons „Idai“. Es geht um die Wiederherstellung der Infrastruktur und den Wiederaufbau von Schulen. Ich werde vor Ort eine Fotogeschichte machen. Wenn ich zurückkomme, bin ich so voller Eindrücke, dass ich vermutlich Bilder malen werde.

Ihre Kochlehre zeigt, dass Sie ein Mann der praktischen Dinge sind. Kochen Sie zu Hause?

Ja. Kochen ist eine genuss- und sinnenreiche Kunst für sich. Ich mag Arbeiten mit den Händen. So haben wir gerade ein sehr altes Haus gekauft, an dem ich sehr viel selbst arbeite. Ich möchte die Geschichte des Hauses erhalten und ihm zugleich ein neues Lebensgefühl geben.

Kochen Sie mit strengem Blick auf Ernährungswerte?

Ich koche ernährungsbewusst. Zum einen, weil ich kameratauglich bleiben möchte, und zum anderen habe ich gerade eine Dokumentation über Welternährung, Klimawandel und Nachhaltigkeit gedreht. Ich war für diesen Film viel unterwegs, habe mit Wissenschaftlern, Politikern, Bauern, Unternehmern gesprochen. Bei der Recherche traf ich einen Professor in Oxford, der die Planetary Health Diet entwickelte, die berechnet, wie viel eine Person pro Woche essen kann, damit alle Menschen auf dem Planeten satt werden. Das ist aufgeschlüsselt in Fleisch, Gemüse, Molkereierzeugnisse … eben alles, was auf unserem Speiseplan steht. Meine Frau Alice und ich haben den Speiseplan der Zukunft in einem dreiwöchigen Selbstversuch getestet. Das war hart, aber stärkte unsere Erkenntnis, dass sich Essgewohnheiten ändern müssen. Damit haben wir begonnen.

Neu ist auch Ihr Lebensmittelpunkt in Berlin und Brandenburg.

Meine Frau ist Berlinerin und so lag es nahe, dass ich hierher komme, denn Berlin ist auch die Hauptstadt für Kunst und Kultur und bietet mit so viel Grün und Wasser eine hohe Lebenskultur. Inzwischen haben wir in Brandenburg, nah an der Stadtgrenze zu Berlin, ein Grundstück gekauft, auf dem auch dieses zauberhafte alte Haus steht. Unsere große Patchwork-Familie fühlt sich sehr wohl hier. Und auch meine Töchter, die bei der Mutter in Österreich leben, kommen in den Ferien sehr gern hierher.

Kein Künstlergespräch ohne die abschließende Frage, wann Sie wieder im Fernsehen zu sehen sind.

Im Kino spiele ich gerade eine kleine Rolle im Film „Eine ganz heiße Nummer 2.0“. Ich habe am Drehbuch für die Verfilmung meines Buches „Der leise Ruf des Schmetterlings: Eine Erzählung über Liebe, Verlust und die Kraft des Augenblicks“ mitgearbeitet. Eine Reihe von Projekten ist am Wachsen, darunter eins, das sich mit Kochen beschäftigt. Aber das ist noch in der Vorbereitung.

Hardy Krüger jr.

• Der 1968 in Lugano geborene Schauspieler ist Sohn des Schauspielers und Schriftstellers Hardy Krüger und der italienischen Malerin Francesca Marazzi. Die Kindheit verbrachte er auf der Farm der Familie in Tansania.

• Nach dem Besuch einer internationalen Schule in Deutschland Lehre als Koch, Ausbildung zum Bartender und Schauspielunterricht in Los Angeles. Schnell folgten Hauptrollen in internationalen und deutschen Produktionen, u. a. „Asterix und Obelix gegen Caesar“ und „Stauffenberg“ (2004). Von 2006 bis 2013 war Hardy Krüger jr. als Förster Stefan Leitner in der ZDF-Fernsehserie Forsthaus Falkenau zu sehen.

• Der 51-Jährige spielte Theater, u. a. in Hamburg und Dresden, dreht Filme, fotografiert, malt und ist Autor des Buches „Der leise Ruf des Schmetterlings: Eine Erzählung über Liebe, Verlust und die Kraft des Augenblicks“.

• Hardy Krüger jr. ist UNICEFBotschafter sowie Schirmherr des Natur-, Tier- und Umweltfilmfestivals NaturVision.

• Er ist in dritter Ehe verheiratet. Über seinen Alltag, Projekte und das turbulente Leben der Patchwork-Familie berichtet er auf seinem Blog
www.hardykruegerjr.de